Bluewin News 27. 10. 2001

Der Anlass zum Geheimabkommen: 1985, Einsatz südafrikanischer Truppen in Angola.
Rätselhafter Pakt mit "Dr. Tod"

[TA] - n Von Bruno Vanoni, Bern

Das unscheinbare Inserat, mit der das "Magazin" des "Tages-Anzeigers" zwei Tage im Voraus für seine Enthüllung geworben hatte, schlug im Verteidigungsdepartement VBS wie eine Bombe ein. Fieberhaft begann schon am Donnerstag die Suche nach Informationen, um auf die brisante Aussage des pensionierten Vize-Stabschefs des Geheimdienstes des früheren Apartheidregimes reagieren zu können.

Seit PUK-Zeiten auf der Spur
Laut Ex-General Chris Thirion haben die Nachrichtendienste der Schweiz und Südafrikas 1986 "unter strengster Geheimhaltung" ausgehandelt und schriftlich bestätigt, dass sie einander bei der Abwehr biologischer und chemischer Waffen unterstützen wollten. Es sollte Freitagabend werden, bis VBS-Informationschef Oswald Sigg ein vorläufiges Dementi verkünden konnte: "Nach unseren heutigen Erkenntnissen hat es kein Geheimabkommen über eine Zusammenarbeit auf dem Gebiet der B- und C-Waffen gegeben."

Allerdings musste Sigg einräumen, dass die internen Abklärungen über allenfalls erfolgte Aktenvernichtungen durch den früheren Nachrichtendienst-Chef Peter Regli noch nicht abgeschlossen seien. Und dass die Nachrichtendienste ohnehin schriftliche Vereinbarungen zu vermeiden pflegten. Immerhin ist die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) nach der Kopp-Affäre geheimen Abkommen des schweizerischen Nachrichtendienstes auf die Spur gekommen. Vereinbart war darin offenbar, dass er ausländischen Geheimdiensten bei der Sicherheitsüberprüfung von bestimmten Personen hilft.

In ihrem Schlussbericht gelangte die PUK, von Moritz Leuenberger geleitet, 1989 zum Schluss, solche "zwischenstaatlichen Abkommen auf Verwaltungsstufe" seien "unzulässig und, sofern vorhanden, ausser Kraft zu setzen". Zehn Jahre später musste die für die Geheimbereiche zuständige Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments feststellen, dass ihr keine Bundesstelle eine abschliessende Übersicht über die eingegangenen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland vermitteln konnte. Dass es "geheime Abkommen" gab und gibt, konnte sie folglich "nicht ausschliessen", zumal sie an die militärische Geheimhaltung gebunden sei.

Der Luzerner CVP-Ständerat Franz Wicki, damals Mitglied und heute Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation, wollte gestern Freitag noch keine Stellungnahme abgeben: weder zur Frage von Geheimabkommen noch zu früheren Parlamentserkenntnissen, die angesichts der neuesten Entwicklung in einem andern Licht erscheinen. So hat die Delegation 1999 in ihrem Untersuchungsbericht über die Beziehungen des Nachrichtendienstes zum Apartheidregime bemerkenswerte Feststellungen zu einem früheren Mitarbeiter des Militärdepartementes gemacht.

Der Mitarbeiter der damaligen EMD-Abteilung, die Schutzmaterial gegen Atom-, B- und C-Waffen zu beschaffen hatte, habe am 25. Januar 1988 im Gebäude der Gruppe Rüstung (GR) mit illustren südafrikanischen Gästen zusammengesessen: mit Polizeigeneral Lothar Neethling und Wouter Basson alias "Dr. Tod", dem Leiter des geheimen C-Waffen-Programmes des Apartheidregimes. Damals habe es "Hinweise" gegeben, dass der EMD-Mann "über engere Beziehungen zu den Besuchern aus Südafrika verfüge, welche dieser aber nicht offen legen wolle".

Verwaltungsintern wurden dazu laut Delegationsbericht "Parallelen" zum Fall des enttarnten Schweizer Hobbyspions Schilling gezogen und eine Klärung der Beziehungen zwischen dem Nachrichtendienst und den beiden Organisatoren des Treffens verlangt. Bei diesen handelte es sich um den Schutzmaterial-Lieferanten Louis Schleiffer sowie um den Waffenhändler Jürg Jacomet, den berüchtigten Informanten von Peter Regli.

EMD-Prominenz in Südafrika
All dies lässt laut Insidern durchaus die These zu, dass da ein Netz von nachrichtendienstlich tätigen Milizspionen im Sinne des geschilderten Geheimabkommens tätig gewesen sein könnte. Der EMD-Mann jedenfalls steht auch im Verdacht, in das Schutzmasken-Geschäft der EMD-Lieferantin Huber & Suhner mit Südafrika verwickelt zu sein. Er wird von Insidern nämlich als jener GR-Experte identifiziert, der in dem von Jacomet vermittelten Liefervertrag vom 9. November 1988 zur Schlichtung allfälliger Streitigkeiten vorgesehen war.

Vom TA mit diesem Verdacht konfrontiert, hat der Mann jegliche Beteiligung bestritten. Immerhin hat er die Stelle im EMD kurz nach Vertragsabschluss gekündigt, um sich als Berater und Verkäufer von ABC-Schutzmaterial selbstständig zu machen. Dabei will er an der weltweiten Vermarktung der Schweizer Schutzmaske mitgewirkt und den Waffenhändler Jürg Jacomet mehrfach getroffen haben. Aus seinen Sympathien zum Apartheidstaat, wo er mehrere Jahre gelebt hatte, macht er keinen Hehl.

Wie intensive Kontakte aus dem EMD zum südafrikanischen Unrechtsregime gepflegt wurden, zeigt sich am Beispiel prominenterer EMD-Vertreter: Bereits Reglis Vorgänger als Nachrichtendienst-Chef, Divisionär Mario Petitpierre, reiste mehrmals nach Südafrika. Das Geheimabkommen von 1986 fällt denn auch in seine Amtszeit. Zwei Jahre später reiste auch der langjährige EMD-Generalsekretär Hans-Ulrich Ernst dorthin: im Rahmen einer selbst bezahlten Ferienreise, wie der Bundesrat einst betonte. Was er dem Parlament aber verschwieg: Der südafrikanische Militärattaché in der Schweiz hatte dem mächtigen Spitzenbeamten 1988 auch Gespräche in Pretoria und einen mehrtägigen Besuch an der Angola-Front organisiert, wo russische C-Waffen-Einsätze befürchtet wurden. Copyright © 2000, Bluewin AG