gipfelinfo 17.5.2002
öffentlicher rundbrief der infogruppe [berlin]
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- KEINE ANKLAGE GEGEN ANTIFA SCHWEDEN FÜR AUFWIEGELUNG
- SCHWEDISCHE POLIZEIGEWALT GERÄT IN KRITIK
- RÄUMUNGSGEFAHR IN CHIAPAS + RESOLUTION

KEINE ANKLAGE GEGEN ANTIFA SCHWEDEN FÜR AUFWIEGELUNG
Der schwedische Justizminister Göran Lambertz hat beschlossen,
dass die Ermittlungen, ob die Antifa Schweden mit ihrem
Mobilisierungsplakat für das EU-Gipfeltreffen in Göteborg durch
Aufwiegelung gegen das Pressegesetz verstossen hat. Das Plakat
ähnelte einem Filmplakat uns zeigte Godzilla, der [die? das?]
unter der Überschrift "Stoppt den EU-Gipfel" Göteborg zerlegt.
Der Justizminister untersuchte, ob der Text "Agieren - Blockieren
- Sabotieren" als Aufwiegelung gewertet werden könnte. Aber die
Schwierigkeit, eineN VerantwortlicheN ausfindig zu machen und die
näherrückende Verjährungsfrist, brachte den Justizminister dazu,
die Ermittlungen einzustellen. "Im Wort 'Sabotieren' kann sehr
wohl Aufwiegelung stecken. Aber wir schätzen, dass man niemand
zur Verantwortung gezogen werden kann, selbst wenn es
Aufwiegelung war", sagte Göran Lambertz einer Nachrichtenagentur.
[www.motkraft.net - Anm.: Das Plakat kann auf der GBG2001-Seite
der AFA-Schweden bewundert werden:
http://www.motkraft.net/gbg2001/prop/godzilla.html]

SCHWEDISCHE POLIZEIGEWALT GERÄT IN KRITIK
Schweden gerät in mehreren Punkten durch die UN
Menschenrechtskommission in Kritik. Besonders gilt sie
übertriebener Gewalt durch Polizisten und Gefängniswärter, die in
den letzten Jahren gemeldet wurde, schreibt die Zeitung "Svenska
Dagbladet". In bestimmten Fällen hat die Gewalt zu Todesfällen
geführt. Die Kommission beschreibt die Gewalt als "beunruhigend"
und verweist auf die Krawalle am Rande des Göteborger EU-
Gipfeltreffens, als die schwedische Polizei mit Waffen
antwortete. "Viele Fälle von Misshandlungen wurden gemeldet",
konstatiert die Menschenrechtskommission. "Es gibt Anklagen, weil
die an Polizisten und Gefängniswärter gegebene Richtlinien für
die Anwendung von Gewalt oft parteiisch und nicht ganz richtig
waren", schreibt die Menschenrechtskommission über Schweden und
betont, dass die Anklagen umgehend und unabhängig ausgewertet
werden müssen. Schweden wird auch empfohlen die Ausbildung in
Menschenrechte für Polizisten und Gefängniswärter zu stärken. Der
Polizeichef Sten Heckscher ist über die Wortwahl der
Folterkommission verwundert. "Das hört sich nach außerordentlich
denkwürdigen Behauptungen an. Aber wir werden selbstverständlich
näher nachsehen, worum es sich eigentlich handelt", sagt er der
Zeitung. Der Justizminister Thomas Boström wollte die Kritik
nicht kommentieren. Im Bericht rät die Menschenrechtskommission
Schweden vorsichtig damit zu sein, Ausländer in ihre
Herkunftsländer abzuschieben. Schweden sollte auch die Kontrollen
verschärfen, ob die abgeschobenen Menschen wirklich so behandelt
werden, wie die Staaten es versprechen. [Dagens Nyheter,
schwedenweite Tageszeitung]

RÄUMUNGSGEFAHR IN CHIAPAS + RESOLUTION
Aufstandsbekaempfung jetzt ökologisch - im Interesse der
Multinationalen Zugespitzt wie seit Jahren nicht mehr zeigt sich
die Situation in den Aufstandsgebieten in Chiapas. Vor Allem die
angekündigte Räumung von 49 Gemeinden in der Selva Lacandona
macht einen erneuten Ausbruch des offenen Krieges
wahrscheinlicher denn je. Von dieser Räumung wären über 1500
indigene Familien betroffen, der größte Teil von ihnen ist in der
Zapatistischen Befreiungsarmee EZLN und dem autonomen Landkreis
"Ricardo Flores Magon" organisiert.
Insbesondere die mexikanische Bundesregierung hat ihren Willen
bekräftigt, die Gemeinden in diesem Gebiet "umzusiedeln". Seit
Jahren ist diese Region mit über 50 Militärstützpunkten und mehr
als 30.000 Soldaten hochgradig militarisiert. Im Dezember letzten
Jahres meldeten Sprecher des Landkreises eine erneute Zunahme von
Einschüchterungen und Bedrohungen von Seiten des Militaers. Im
März 2002 wurden zusätzlich mehrere tausend Mitglieder
verschiedener Polizeitruppen sowie Fallschirmjäger in die Region
verlegt. Im April stand ihr Einsatz unmittelbar bevor, wurde
jedoch in letzter Minute aufgrund von Abstimmungsschwierigkeiten
verschoben. Ein neuer Zeitpunkt ist nicht bekannt, die
Vorbereitungen scheinen allerdings abgeschlossen zu sein, so daß
die Invasion jederzeit stattfinden kann.
Umweltschutz, wirtschaftliche Erschließung oder
Aufstandsbekämpfung?
In der offiziellen Darstellung dient die geplante Vertreibung dem
Schutz des Regenwaldes. Tatsächlich sind seit 1978 dort mehrere
große Gebiete zu Schutzzonen erklärt worden, unter anderem dem
"Biosphärenreservat Montes Azules". Die Ausrufung dieser
Schutzzonen erfolgte allerdings über die Köpfe der dort lebenden
Indigenas hinweg. Eine Ausnahme bildete nur eine kleine Gruppe
von Indigenas, denen per Präsidialdekret eine Fläche von über
600.000 Hektar zugesprochen wurde, unter gleichzeitiger
Unterzeichnung eines Vertrags über den lukrativen Abbau von
Tropenholz durch die Familie des Präsidenten von Mexiko. Heute
dient diese Gruppe, die sich seitdem "Lacandonen" nennt, als
?Vorzeige-Indianer" der Regierung, um die Vertreibung der
Tzeltales, Tzoziles, Choles und Tojolabales zu rechtfertigen. Die
geplante Invasion ist ein Schritt zur Durchsetzung des Plan
Puebla-Panama (PPP), eines gewaltigen strategischen und
ökonomischen Programms in Zentralamerika, unter Federführung der
Weltbank und ausgerichtet an den wirtschaftlichen und
militärischen Interessen der USA. Es sieht nicht weniger vor, als
die komplette Umstrukturierung der Region von Mexiko bis Panama,
ein Plan der in vielen der betroffenen Regionen bereits auf
heftigen Widerspruch der Bevölkerung stößt. Die Zapatistas als
Guerilla und Basisorganisation mit etwa 300.000 Organisierten
sind dabei eines der zur Zeit größten Hindernisse für die Planer
aus dem Norden. Gleichzeitig sind sie es auch, deren Lebensweise
und Kultur als Indigenas und Kleinbauern unweigerlich ausgelöscht
würden, wenn dieses Programm umgesetzt wird.
In den zapatistischen Einflußgebieten im östlichen Chiapas sieht
der PPP unter Anderem vor, Erdöl und Mineralien für die
Mikroelektronik auszubeuten, 32 Staudämme zur Gewinnung von
Energie und Trinkwasser zu errichten, die Landwirtschaft auf
Exportprodukte (insbesondere Rindfleisch) umzustellen sowie
massiv den Bau von Straßen und Maquiladoras voranzutreiben. Die
Schutzzonen um Montes Azules sollen der Bioprospektion, d.h. der
Patentierung und Ausbeutung der genetischen Vielfalt im Regenwald
sowie der Entwicklung des Ökotourismus dienen.
Die Lobbyorganisation, die die Vertreibungen in der Selva
Lacandona maßgeblich vorantreibt ist "Conservation
International". Diese Gruppe gibt sich als Umweltschutz-NGO aus,
ein Blick auf ihre Sponsorenliste zeigt aber deutlich, daß es
hier um mehr geht, als darum, ein Stück Regenwald zu erhalten.
Hier versammeln sich unter aderem die Gentech-Gruppe Pulsar
(einer der größten Multis Mexikos, mit Beteiligungen von Nestlé
und Monsanto), Mc Donalds, die Walt Disney Corp., der Autobauer
Ford, der Erdöl- und Energiekonzern Exxon, und der
Mikroelektronik- Gigant Intel, letzterer mit einer Beteiligung
von über 150 Mio. Dollar. In diesem Kreis fehlt eigentlich nur
die Coca Cola Company, die zur Zeit schwer daran arbeitet, die
Wasservorräte Chiapas' unter ihre Kontrolle zu bekommen.
Zugleich zeigt sich, daß die Strategie der Regierung, die
zapatistische Bewegung kleinzureden und zu ignorieren, durchaus
einige Erfolge zeigt. Ehemals verbündete Organisationen haben
sich durch die Politik von Zuckerbrot und Peitsche von den
Zapatistas entfernt und internationale Gruppierungen wenden ihre
Aufmerksamkeit anderen Regionen zu. So liegt es nahe, dass sich
die Zapatistas, nach über acht Jahren des einseitigen
Waffenstillstands, erneut gezwungen sehen können, zu den Waffen
zu greifen, um ihre fundamentalen Rechte zu verteidigen. Sollte
es dazu kommen, wäre dies ein herber Rückschlag für ihre Politik,
in der sie immer die Worte den Waffen vorgezogen haben.
Angesichts der militärischen Übermacht der mexikanischen Armee
würde dies ein gewaltiges Blutvergießen unter den indigenen
Gemeinden bedeuten. Die rebellischen Gemeinden betonen, daß sie
im Widerstand bleiben, und daß sie die Vertreibungen nicht
zulassen werden. Welchen Weg auch immer sie dafür wählen werden,
an ihrer Entschlossenheit kann kein Zweifel herrschen. Aktuelle
Informationen in deutscher Sprache z.B. unter: www.chiapas.ch
In einigen der betroffenen Gemeinden sind neue zivile
Friedenscamps eingerichtet worden. Hierfür werden dringend
internationale BeobachterInnen gesucht. Infos darüber bei CAREA:
www.epo.de/carea, Tel:030-42805666
[von Jan Klein - 13.05.2002 15:00]
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Angesichts der oben beschriebenen Lage haben sich auf der BUKO in
Frankfurt Menschen aus verschiedenen Städten zusammengetan, und
folgende Resolution verfasst. Sie soll an VertreterInnen der
mexikanischen und deutschen Regierung versandt, sowie dort wie
hier in der Presse veröffentlicht werden. Gruppen, die diese mit
unterzeichnen wollen, wenden sich bitte bis Ende dieser Woche an:
<http://www.de.indymedia.org/img/maillink.gif>
gruppeBASTA@gmx.net. Vielen Dank!
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An den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Mexico, Vincente
Fox Quesada, (...) an die mexikanische und internationale
Zivilgesellschaft
Mit Sorge und Empörung erfahren wir von den Plänen und
Vorbereitungen, die indigenen Gemeinden im Bereich des
Biosphären-Schutzgebietes "Montes Azules" zu räumen. Nach unseren
Informationen sind davon über 1500 Familien aus weit über 30
Gemeinden betroffen. Dieser akuten Bedrohung ging eine massive
Militarisierung der Region voraus. Zusätzlich zu den seit langem
dort stationierten über 30 000 Soldaten wurden in den letzten
Wochen mehrere tausend staatliche Sicherheitskräfte dorthin
verlegt. Dies steht in krassem Gegensatz zu dem von der
mexikanischen Regierung beteuerten Friedenswillen. Wir betrachten
die sogenannten ,Umsiedlungen' als Vertreibungen der ansässigen
Bevölkerung im Interesse des uneingeschränkten Zugriffs
transnationaler Konzerne auf die dort vorhandenen Ressourcen,
insbesondere die genetische Vielfalt des Regenwaldes.
Die mexikanische Regierung behauptet nun, dass 1500 Indigena-
Familien eine Gefahr für den Regenwald darstellen. Gleichzeitig
betreibt sie mit dem Plan Puebla-Panama die massive Zerstörung
des ökologischen und sozialen Gefüges der gesamten
mittelamerikanischen Region. Dazu zählen die Erdölförderung, der
Bau riesiger Staudämme sowie die großflächige Ausdehnung der
Weidewirtschaft.
Wir fordern von der mexikanischen Regierung eindringlich:
- Von jeder Vertreibung der indigenen Gemeinden aus Montes Azules
Abstand zu nehmen
- Die Entmilitarisierung der Selva Lacandona
- Die fundamentalen und kollektiven Rechte der indigenen
Gemeinden zu achten Die Umsetzung der Abkommen von San Andrés
- Die Aufgabe des Plan Puebla Panama
(UnterzeichnerInnen)

INFOGRUPPE BERLIN
Die Berliner Gipfelsoli-Infogruppe ist hervorgegangen aus der
Infogruppe der Genuagefangenen. Wir sind unter gipfelsoli@gmx.de
zu erreichen. Wir haben einen Email-Verteiler angelegt, über den
aktuelle Nachrichten zu Göteborg und Genua (und andere
Aktivitäten wie z.B. die Mobilisierung nach Brüssel, München oder
Barcelona) verschickt werden.
Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind,
sind mit eckigen Klammern versehen.
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